Ist es dir auch schon passiert, dass der Anblick eines Bildes, einer Skizze oder auch nur ein Geruch dich um Jahre zurückkatapultiert – in eine andere Zeit, in eine andere Umgebung, in ein anderes Gefühl?
Mir geht es manchmal so, wenn ich bei Umbauten hinter Wandtäfer, Tapeten oder alter Farbe versteckte Zeugen der Vergangenheit entdecke. Genau das war der Fall, als bei einem Umbau die rund einen Meter grosse Skizze, von Hand gezeichnet, an der rohen Wand auftauchte. Zuerst schenkte ich dem Ganzen keine Beachtung. Zuviel war zu bereden und zu bedenken bei der Begehung des Objektes und der Besprechung der Umbaupläne.
Erst später warf ich einen genaueren Blick auf die Skizze und war fasziniert. Die interessante Strichführung, die Farben, all das sprach mich beim Betrachten immer mehr an und neue Bilder fluteten meinen Kopf.
In meinem Kopfkino gab ein Handwerker seinen Gesellen eine kurze Einführung in die Fluchtpunktperspektive. Szenenwechsel! Es ist eine Profilabwicklung zum Herstellen von Messern. OK, das Fachchinesisch muss jetzt nicht jeder verstehen. Ehrlich gesagt, hab ich das bei der Meisterausbildung auch nicht immer auf Anhieb geschafft. Bilder fluten meinen Kopf, auf denen mir vor lauter Erinnerungen an die Ausbildungszeit ganz schwindlig wird – wie damals, als die vielen Linen mir im Unterricht die Augen flimmern liessen.
Auch zu der Zeit galt: Zurück treten, Abstand nehmen, das Ganze sehen, sich einen Überblick verschaffen. Genau das mache ich beim Betrachten der Skizze jetzt auch und komme wieder im Hier und Jetzt an.
Ich beschloss, die Skizze nicht anzurühren. Wir konstruierten und ergänzten aus einem alten, gestemmten Täfer eine Wandverkleidung, hinter der die Skizze allmählich wieder verschwand. Dort wartet sie jetzt um eine Begegnung reicher auf die nächsten Entdecker und deren Gedanken…
Ihr SchReini